Pressemitteilung


Gesundheitskongress des Westens: Schlagabtausch zu Gemeinsamem Bundesausschuss und Kassenleistungen

Köln, 27. März 2019 - Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat den Gemeinsamen Bundesausschuss, der über die Erstattungsfähigkeit von Therapien in der Gesetzlichen Krankenversicherung entscheidet, scharf kritisiert. Die Politik schreibe Gesetze, in denen dem G-BA zeitliche Vorgaben zu Entscheidungen gemacht werden, und das kümmere das Gremium gar nicht. „Wenn eine öffentliche Institution nicht einmal die Beschlüsse des Deutschen Bundestages beachtet, dann hat sie sich erhoben“, kritisierte Laumann wörtlich.
 
Laumann erklärte, sein Fernziel sei es, die „Machtverhältnisse im G-BA aufzubrechen.“ Der Minister plädierte insbesondere dafür, dass im G-BA neben Krankenhäusern, Ärzten und Krankenkassen künftig auch die Pflege vertreten sein müsse. Laumann stellt sich explizit hinter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der dem G-BA schon mehrfach mit Ersatzvornahmen Entscheidungen abgenommen habe, und forderte eine Reform des mächtigen Gremiums der gemeinsamen Selbstverwaltung: „Der G-BA kann, wenn er noch eine Zukunft haben will, nicht in der Verfasstheit bleiben, wie er heute ist.“
 
Minister Laumann kritisierte auch das System der Fallpauschalen (DRGs) zur Vergütung von Krankenhausleistungen. Die politisch richtige Herausnahme der Pflegekosten aus den Fallpauschalen durch die Große Koalition sei „der Anfang vom Ende der DRGs“. Die DRGs haben dazu geführt, dass dieser ganze Wahnsinn passiert ist: Wir reden nicht mehr vom Patienten, sondern vom Kunden. Wir reden nicht mehr vom Versorger, sondern vom Markt.“ Diese Begriffe hätten ihm nie gefallen.
 
Laumann erläuterte auch sein Vorhaben einer reformierten, „straffen“ Krankenhausplanung. Es habe in Nordrhein-Westfalen „seit 20 Jahren keine Krankenhausplanung“ gegeben.  Die Beteiligten sollten wissen: „Sie kriegen einen klaren Krankenhausplan. Und der wird nächstes Jahr, spätestens übernächstes Jahr, fertig werden.“ Die Bedeutung illustrierte Laumann mit einem Gespräch aus seinem Ministerbüro, in dem zwei Krankenhauschefs mit der Frage aufgetaucht seien: Sollen wir die in den 1970er Jahren gebauten Krankenhäuser lieber mit viel Geld modernisieren oder sollen wir sie zusammenlegen? Eine solche Frage sei ohne Krankenhausplan kaum zu beantworten.  Dieser werde, so kündigte Laumann an,  sicherstellen, „dass die Menschen in 30 Minuten ein Krankenhaus erreichen können.“ Dies entspreche einer Entfernung von 25 bis 30 Kilometern. Es würde Schließungen geben, viel mehr jedoch Kooperationen. Er als Minister könne ja auch nicht gegen den Willen des Trägers Krankenhäuser schließen. Aber „dass jeder die Versorgung ausbaut, wie er will, das hat auch ein Ende.“ Es gehe ihm vor allem um Qualität, betonte Laumann. Nordrhein-Westfalen werde das erste Bundesland mit einem Krankenhausplan ohne Bettenzahl sein. Stattdessen würden Strukturqualität wie die Zahl von Fachärzten und Fallzahlen eine wesentliche Rolle spielen.
 
Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Josef Hecken, verteidigte sein Gremium energisch gegen die Kritik der Gesundheitsminister Laumann und Spahn. Der jüngste Fristenbericht zeige, dass der G-BA im vergangenen Jahr 878 Verfahren zu bewältigen hatte und davon 97,3 Prozent fristgerecht abgeschlossen worden seien.
 
Hecken präsentierte zudem eine Auswertung, nach der die Markteinführung von Arzneimitteln in Deutschland schneller erfolge als in anderen Ländern: Während zwischen Zulassung und erstem Verkauf in Italien 15,6 und in Großbritannien 4,5 Monate lägen, seien es in Deutschland nur 3,1 Monate. Heckens Fazit: Der G-BA und das viel gescholtene AMNOG-Verfahren behinderten die Markteinführung neuer Arzneimittel nicht.
 
Hecken hob hervor, welche Bedeutung das Prinzip der Gemeinsamen Selbstverwaltung habe und kritisierte die Bestrebungen von Gesundheitsminister Spahn, Erstattungsentscheidungen durch die Politik treffen zu lassen: „Da warte ich auf die nächste Bundestagswahl. Die werden keine Wahlplakate mehr drucken.  Die werden nur noch Interviews geben, was sie alles bezahlen, wenn sie gewählt werden.“
 
Bundesgesundheitsminister Spahn habe „eine Evidenzentscheidung via Bildzeitung“ getroffen: „Das Qualitätsgebot gilt nicht, das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nicht“, monierte Hecken und rechnete vor. Wenn die von Spahn angegebenen 3 Millionen Betroffenen alle eine Liposuktion durchführen lassen würden, entstünden – selbst wenn dann aufgrund hoher Fallzahlen die Kosten je Behandlung auf weniger als ein Viertel reduziert werden könnten – Gesamtkosten für die GKV von 21 Milliarden Euro. Dies entspräche etwa 1,5 Prozentpunkten des Krankenkassenbeitrages.
 
Der Gesundheitskongress des Westens ging am Mittwochnachmittag nach zwei Tagen zu Ende. Über 1.000 Fachbesucher diskutierten in rund 30 Einzelveranstaltungen mit über 120 Referenten Themen aus allen Bereichen von Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft. Darunter: Digitale Revolution im Gesundheitswesen, Telemedizin, Krankenhausplanung, sektorübergreifende Versorgung, die Notfallversorgung, Personaluntergrenzen und Fachkraftquoten, die Krise des Belegarztwesens, die Lage der Rehaeinrichtungen und der Fachkräftemangel. Der Gesundheitskongress des Westens ist der führende Kongress für Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft im Westen Deutschlands.
 
Der nächste Gesundheitskongress des Westens findet am 10. und 11. März 2020 im Kölner Kongresszentrum Gürzenich statt.

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