"Club der Querdenker" Gesundheitskongress des Westens 2009 eröffnet


Minister Pinkwart will NRW zum führenden Bundesland der Gesundheitsforschung machen - "Eldorado für Forscher und Entwickler der Medizin" - "Bochum statt Berkeley" - Experten diskutieren Thesen zur Sozialen Gesundheitswirtschaft: "Qualifizierung und Personalentwicklung müssen Rolle in nächster Gesundheitsreform spielen" - Öffnung der medizinischen Ausbildung gefordert für ein gemeinsames Lernen ärztlicher und nicht-ärztlicher Berufe.

Essen ( 11. März 2009 ) - Eine Öffnung der bislang getrennten Ausbildungen von Ärzten und anderen Gesundheitsberufen haben Teilnehmer des dritten Gesundheitskongresses des Westens gefordert. Der Kongress, der mit rund 700 Teilnehmern am heutigen Mittwoch erfolgreich in Essen begonnen hat, hat sich inzwischen als Leitkongress der Gesundheitswirtschaft in NRW und darüber hinaus etabliert. Er sei bereits mehr als Tradition, sagte der Forschungsminister und stellvertretende Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Andreas Pinkwart in seiner Eröffnungsrede nach der Begrüßung durch den Kongresspräsidenten, Senator a.D. Ulf Fink. Pinkwart betonte die große Bedeutung der Gesundheitsbranche für das Land. "Die Medizin, vor allem die medizinische Forschung, ist einer der wichtigsten Erzeuger von Innovationen - und damit ein starker Wachstumsfaktor", sagte er im Saalbau der Essener Philharmonie.

"Wir wollen in NRW zum Eldorado gerade für Forscher und Entwickler aus diesem Bereich werden und damit auch die süddeutschen Länder auf die Plätze verweisen." NRW habe hier schon eine Menge vorzuweisen und investiere zielgerichtet, um bald eine internationale Spitzenposition zu erreichen: "Bochum statt Berkeley" müssten sich die Experten zurufen, die bislang in die USA abwanderten. Dazu beitragen soll auch der geplante Gesundheitscampus Nordrhein-Westfalen, über dessen Standort NRW in diesen Tagen entscheidet. Neun Ruhrgebietstädte haben sich dafür beworben. Auf dem Campus soll unter anderem die bundesweit erste staatliche Fachhochschule für Gesundheitsberufe mit 1000 Studienplätzen und ein neues Institut für medizinische Grundlagenforschung entstehen.

Die Ausbildungswege der Gesundheitsberufe zu professionalisieren und zu erweitern war neben der Gesundheits- und der Ärztehonorarreform eines der wichtigen Themen der anschließenden Diskussion.

Moderiert vom wissenschaftlichen Leiter des Kongresses, Prof. Dr. J.-Matthias Graf von der Schulenburg, diskutierten Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor des Unfallkrankenhauses Berlin, Franz Knieps, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, und Jens Spahn, Obmann der CDU/CSU im Gesundheitsausschuss des Bundestags, Thesen zur Sozialen Gesundheitswirtschaft mit dem Schwerpunkt "Der knappe Faktor Mensch". Sie waren sich einig, dass Qualifizierung und Personalentwicklung nicht nur zentrale Aufgaben der Gesundheitswirtschaft sind, sondern auch eine wichtige Rolle in der nächsten Gesundheitsreform spielen müssen. Schulenburg nannte den Kongress einen "Club der Querdenker", die sich über ganz neue Ideen austauschen.

"Wir haben nicht zu wenig Personal, sondern Defizite im Einsatz, in der Qualifikation und in der Motivation" lautet eine der grundlegenden Thesen Schulenburgs. Alle begrüßten in diesem Zusammenhang die für 2010 geplante staatliche Fachhochschule für Gesundheitsberufe. Ekkernkamp forderte, noch weiter zu gehen: er könne sich vorstellen, die Trennung der Ausbildung teilweise aufzuheben. So könnten Medizinstudenten gemeinsam mit angehenden Physiotherapeuten oder Krankenschwestern Kurse und Vorlesungen besuchen - etwa in Fächern wie Anatomie. Wenn die verschiedenen Berufsgruppen von Anfang an mehr Kontakt miteinander hätten, erleichtere das auch die Zusammenarbeit später in Krankenhäusern und woanders. Zustimmung bekam er dafür auch von Franz Knieps und Jens Spahn, der allerdings betonte, eine Akademisierung dürfe die klassische Ausbildung nicht ersetzen, sondern müsse sie ergänzen - als Angebot an alle, die mehr Verantwortung übernehmen wollen.

Lebhaft diskutierten die Experten freilich auch die Ärzte-Honorarreform, die in späteren Kongressveranstaltungen noch eine größere Rolle spielen wird, und den Gesundheitsform. Die Einführung des Fonds am 1. Januar 2009 sei erfreulich geräuschlos von statten gegangen, sagte Knieps vom Bundesgesundheitsministerium und erinnerte daran, dass noch vor nicht allzu langer Zeit kaum jemand an die Realisierung geglaubt habe. Er kritisierte, dass einige Kassen nun offenbar versuchten, den Wettbewerb zu verhindern, indem sie sich absprechen, um zeitgleich gleich hohe Zusatzbeiträge einzuführen. "Da kann ich sagen: das ist zum Scheitern verurteilt." Das werde schon das Kartellrecht verhindern.

Kontrovers klang bereits in der Eröffnungsveranstaltung das Thema Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln an. Diese Diskussion wird ebenfalls auf einer späteren Kongressveranstaltung Thema sein. Weitere Vorträge werden sich mit dem neuen "MorbiRSA" (morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich), Selektivverträgen zwischen Kassen und Leistungserbringern und vielen anderen brennenden Themen des Gesundheitswesens beschäftigen.

Der Kongress läuft noch bis Donnerstag Nachmittag. Krönender Abschluss wird eine Rede der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.